Die genealogische Sammelkiste – Sortieren mal ganz anders
Schon mal verzettelt? Mit Sicherheit. Mir geht das jedenfalls öfter so. Ein Forscherfreund fragt an und ich bin mir sicher, dass ich das irgendwo schon einmal gelesen habe. Gern erinnere ich mich dann an einen im Studium oft gehörten Spruch: “Ein Ingenieur muß nicht alles wissen, sondern nur, wo es steht.” Theorie und Praxis klaffen eben manchmal weit auseinander.
Ab einem gewissen Alter (so ab 5 oder 6) wird der Mensch vergesslich, an vorher kann man sich eh kaum erinnern. Erst vergisst man ziemlich selektiv (vor allem die Hausaufgaben), später eher bedingt durch Berufsstress, Krankheit oder einfach aus Bequemlichkeit. Für all diese Phänome gibt es viele psychologische und biologische Erklärungsversuche.
Von Krankheiten wie Alzheimer / Demenz mal abgesehen ist Vergesslichkeit eigentlich nichts Schlimmes oder Unnatürliches. Außer es betrifft die Steuererklärung, die AU-Plakette oder den eigenen Hochzeitstag. Solange die Vergesslichkeit einen gewissen Rahmen nicht überschreitet und man sich zu Helfen weiß, ist alles in Ordnung. Es ist jedenfalls ziemlich schwierig, Knoten in Tempo-Taschentücher zu machen.
Das Stapelsystem
Wenn ich mich an meine genealogischen Anfänge erinnere, denke ich daran, wie ich mich über jeden Schnipsel gefreut habe. Alles, was irgendwie nur einen Hauch von Zusammenhang ergeben könnte, wurde gesammelt und aufgehoben. Und das ohne eine gewisse Ordnung, also nach dem Ablagesystem „Immer drauf auf den großen Stapel“. Den müsste man nur irgendwann noch einmal durchsehen und abarbeiten…
Nun war dieser Stapel, zumindest in den Anfängen meiner genealogischen Forschung noch klein und überschaubar. Mit den Jahren und der Anzahl neu erforschter Familien wächst er natürlich mit. Es gibt überall Informationen (heute deutlich mehr als früher), mit denen ich nicht sofort, sondern vielleicht erst sehr viel später etwas anfangen konnte. Manchmal kann ich aber auch gar nichts damit anfangen und frage mich, warum ich die Information überhaupt aufgehoben habe. Ach ja, das Sakko hatte ich vor fünf Jahren mal in die Reinigung gegeben…
Die Ablagekiste
Irgendwann brauchte ich mal wieder Platz auf dem Schreibtisch, die Kaffeetasse passte nicht mehr darauf. Und so wanderte alles in die große genealogische Zauberkiste. Die hab ich mal bei Herrn Kamprad gekauft, als ich unbedingt Teelichter besorgen sollte. Davon hab ich mittlerweile auch schon drei. Zwei für Papiere (Backup-Strategie) und eine virtuelle auf dem PC (da fehlt wohl noch das Backup). Und Ihr?
Mind Mapping – Verkartung der Gedanken
In unserer weitgehend anglisierten Alltagssprache hat sich mittlerweile der Begriff Mind Mapping, vor allem auf dem beruflichen Sektor eingebürgert. Das wird manchmal mit Brain Storming durcheinander gebracht, was nur in einem viel weiteren Sinn etwas damit zu tun hat. Jedenfalls hat es herzlich wenig mit Bankenrettungsschirmen zu tun und ist auch garantiert keine Erfindung von Donald Trump, der macht wohl lieber Wall Mapping.
Das Prinzip ist relativ einfach, es funktioniert auch auf Butterbrotpapier oder der Rückseite von Geburtsurkunden. Ausgehend von einem zentralen Thema (nennen wir es “Ommas Sippschaft”), dass in der Mitte einer Mind Map steht, schreibt man rundherum dazu gehörige Stichpunkte (Knoten) und verbindet diese mittels Verknüpfungslinien mit dem Hauptthema. Opa August, Onkel Wilhelm und Tante Luise sind also mit Omma direkt verknotet. Wenn die das jetzt wüssten…
Von diesen Knoten aus kann man jeweils weitere Knoten einbauen. Theoretisch kann man diese Gliederung bis ins Unendliche treiben und sich für den virtuellen Häkel-Award anmelden. Der Clou hierbei ist, die tatsächlich nicht verwandte Putzfrau aus dem dritten Stock, welche Omma letztens mal beim Einkaufen getroffen hat, kann hier auch mit verknotet werden. Und Herr Kekulé hat nix dagegen.
Damit die Übersicht dabei nicht verloren geht, lassen sich diese Knoten auch zusammen- und wieder auseinanderklappen. Da hat einer wirklich mitgedacht, sicher gab es hierzu vorab ein Brainstorming.
Übrigens lassen sich einzelne Mind Maps auch wieder mit einer übergeordneten Mind Map (also der von Karl dem Grossen) verknüpfen, so dass man auch themenbasierte Maps erstellen kann. Wo war doch gleich die Einkaufsliste?
FreeMind / FreePlane
Um sich Gedanken zu machen braucht man keinen Computer, geschweige ein Tablet. Der ist eigentlich strohdoof, weil er nur zwischen 1 und 0 unterscheiden kann. Aber er ist fürs Gedanken-Verkarten sehr hilfreich, wenn einem tatsächlich mal die Geburtsurkunden ausgehen. Also sucht man sich eine Software, die ein einfaches und kostengünstiges (oder –loses) Mind Mapping bietet.
In den meisten Fällen bleibt man zunächst bei FreeMind oder dessen Fork (Ableger, nicht Mistgabel) FreePlane hängen. Die Programme sind kostenlos und erstaunlich einfach zu erlernen und zu bedienen. Selbst für Eierplatten vom angebissenen Apfel gibt es auch so etwas ähnliches, meistens allerdings nicht kostenfrei.
Mit den meisten dieser Programme sind eigene Mind Maps relativ schnell angelegt und Änderungen sind schnell und ohne Radiergummi oder TippEx zu erledigen. Übrigens kann man auch Bilder, Internet-Links oder PDFs an die einzelnen Unterpunkte anhängen.
So kann man die Hochzeitsfotos von Tante Else und die Sterbeurkunde von Oma Lieschen schon einmal nach dem eigenen Gusto einsortieren. Es ist praktisch sogar möglich, ganze Genealogien in einer Mind Map nachzubilden. Kinder, Enkel, Urenkel, eben die ganze Sippschaft. Sicher sind hierbei die Ausgabemöglichkeiten nicht wirklich mit einem ausgewachsenen Genealogieprogramm zu vergleichen. Aber für einen Anfänger, der noch die bucklige Verwandschaft seiner Großeltern, Stief-Onkel und angeheirateten Großcousinen sortiert, ist das schon eine empfehlenswerte Vorgehensweise.
Etwas wissenschaftlicher – DocEar
Ein weiterer Fork von FreeMind / FreePlane ist das Programm DocEar. Ich benutze es mittlerweile sehr gern, denn es bietet eine Erweiterung für wissenschaftliches Arbeiten. Und wir Genealogen sind ja schließlich auch echte (HiHiWi – Historische Hilfs-)Wissenschaftler. Jedenfalls irgendwo ganz tief in uns drin.
Schön an DocEar ist, dass auch dieses Programm völlig kostenlos, aber nicht umsonst erhältlich ist. Die Pflege und Entwicklung wird übrigens von staatlicher Seite gefördert, da es vielfach an Universitäten von richtigen Wissenschaftlern für wissenschaftliche Arbeiten genutzt wird. Wenn ich jetzt hierfür Werbung mache, bekomme ich trotzdem leider keine Steuerermäßigung.
Allerdings ist die Bedieneroberfläche etwas verwirrend, da die Sprachumsetzung von Englisch nach Deutsch nur rudimentär erfolgt ist. Da sollte man schon wissen, dass Node auf Deutsch Knoten heißt. Aber wir sind ja wie gesagt HiHiWi´s und kommen auch mit anderen Sprachen und Schriften klar. Manch einer (wie ich) beherrscht sogar fehlerfreies Ost-Deutsch.
Richtig zitieren
Was mir persönlich besonders gut gefällt, ist das eingebaute Literaturverwaltungssystem. Nicht nur, dass man hier aus mehreren hundert Zitierstilen (wer braucht so etwas eigentlich?) wählen kann. Man kann sogar aus einer (oder mehreren) PDF ordnungsgemäß und mit Seitenangaben zitieren. Die PDFs legt man hierzu in eine Art Bibliothek ab. Dann ergänzt man die PDFs, sofern nicht bereits vorhanden um die bibliografischen Angaben und markiert in der PDF den zu zitierenden Text. Der markierte Text wird dann in die Mind Map übertragen. Das somit erstellte Zitat kann man dann mit eigenen Ergänzungen versehen. Leider funktioniert das nur mit PDFs, die direkt ausgedruckt und nicht eingescannt wurden richtig gut. Bei selbst gescannten PDFs ist hier etwas mehr Arbeit nötig. Somit kann man sich ein komplexes Dokument zusammenstellen und gliedern.
Word-Dokumente erstellen
Ist die Mind Map fertig, kann man diese in Word übertragen, dafür gibt es ein spezielles Word-AddIn. Heraus kommt ein fertig gegliedertes Dokument, das mit formatierten Zitaten, Fußnoten und Quellenregister nur noch auf die Endbearbeitung durch die Textverarbeitung wartet. Alternativ kann man auch HTML-Dateien erstellen, die man später für das Internet aufbereiten kann.
Anwendung in der Genealogie
Mögliche Anwendungen sehe ich nicht nur bei meinem genealogischen Zettelkasten, in den ich (sofern die Zettel eingescannt wurden) so relativ schnell und einfach Ordnung bringen kann. Denkbar sind auch Buchrezensionen oder sogar ansatzweise eine Quellenverkartungen.
Ich kann Euch nur empfehlen, mal selbst Mind Mapping auszuprobieren. Welches der Tools Ihr nutzt, ist Geschmackssache. Freuen würde ich mich jedenfalls über Eure Erfahrungen, gern auch über Hinweise, Anregungen und Alternativen.