Beitrag von Sabine Wiedemann
Die Landschaft Grabfeld zeigte sich von ihrer schönsten Seite, als wir durch Südthüringen fuhren. Sanfte Hügel in strahlendem Sonnenschein. Ein Stück Toskana mitten in Thüringen.
So war wohl niemand enttäuscht, dass unser Halbjahrestreffen in Milz, einem Ortsteil von Römhild stattfand, und nicht wie ursprünglich geplant in Coburg. Der Einladung von Henri Eppler, einem neuen Mitglied der AGT und Vorsitzender des Heimatvereins in Milz, folgend, fand unser Treffen im Kulturhaus statt, dem Domizil des Milzer Faschingsvereins.
Nachdem sich alle eingefunden und Bekannte unter den Teilnehmern begrüßt hatten, stellte sich der Heimatverein Milz vor. Während der Veranstaltungen kam es zu regem Austausch der interessierten Besucher aus Milz mit den Mitgliedern der AGT.
Da sämtliche Cafés und Restaurants in der Umgebung völlig ausgebucht waren für Klassentreffen, die nach 2 Coronajahren endlich wieder stattfinden konnten, hatte der Heimatverein Milz unsere Bewirtung auch noch übernommen. Die Auswahl an Torten und Kuchen liess keine Wünsche offen und war dem Angebot einer guten Konditorei ebenbürtig.
Am Anreisetag präsentierten Barbara Hoffmann und Jörg Keyßner die Ergebnisse ihrer genealogischen Forschungen und beantworteten Fragen der Interessierten des Heimatvereins.
Nach einem Imbiss vom Grill folgte ein erster Höhepunkt. Der Referent Dr. Kai Lehmann, Direktor des Museums Schloss Wilhelmsburg in Schmalkalden räumte mit seinem Vortrag über einen
Thüringer Scharfrichter mit Vorurteilen über diesen Beruf auf. Ein Rechnungs- und Anschreibebuch des Scharfrichters Johann Jeremias Glaser, der seine Tätigkeit erst in Meiningen und dann in Wasungen ausübte, ermöglicht einen interessanten Einblick in das Leben eines Scharfrichters im 17. Jahrhundert. Dieser aus kulturhistorischer Sicht einmalige Schatz wurde im Thüringischen Staatsarchiv Meiningen entdeckt. Der Referent schilderte die daraus gewonnenen Erkenntnisse überaus interessant und mit sehr viel Leidenschaft.
Die Vorträge und die Gelegenheit, mit Unterstützung einer Dame des Heimatvereins, in Archion nach seinen Vorfahren zu forschen, boten viel Gesprächsstoff für das anschliessende abendliche Beisammensein.
Am Samstag bot sich vor der auf 10 Uhr angesetzten Besichtigung der Stiftsbibliothek noch die Gelegenheit, die Wehrkirche in der Ortsmitte von Milz zu besichtigen. Interessanterweise sind die Uhren aller Kirchen in diesem Gebiet nicht mittig am Turm angeordnet.
Das Römhilder Stift war die letzte Gründung von ingesamt 11 Chorherrenstiften in Thüringen. Während ihres hundertjährigen Bestehens entstand eine Bibliothek. Nach der Reformation wurde das Kollegiatsstift aufgehoben und aus der Siftskirche wurde die Hauptpfarrkirche der Stadt Römhild. Eine Besonderheit des Bibliotheksbestandes sind die noch vorhandenen 91 Drucke aus der katholischen Zeit, von 1501-1556.
Diese Bücher wurden in einem separaten Schrank verwahrt, in welchem sie allerdings nicht vor Feuchtigkeit geschützt waren. In einer Glasvitrine ist die Kroatenbibel ausgelegt, die im Dreißigjährigen Krieg von einem Kroatensäbel beschädigt wurde.
Durch die Bewirtung vom Heimatverein gestärkt, besichtigten wir am Nachmittag das Schloß Glücksburg in Römhild.
Neben der Stiftskirche beherrscht das Schloß Glücksburg die Silhouette von Römhild. Das 500 Jahre alte Schloß, einst im Besitz der Grafen von Henneberg-Römhild und nach dem 2. Weltkrieg für einige Jahre Kinderheim für Kriegswaisen, beherbergt seit 1979 im Hinterschloss das städtische Museum. Die Sammlungsschwerpunkte liegen im Handwerk Kunsthandwerk und der Keramik.
Der Keramikbestand umfasst nicht nur traditionelle Keramik, sondern betont mit Exponaten des 20. und 21. Jahrhunderts die Bedeutung der Stadt Römhild als Standort für internationale zeitgenössische Keramik und Veranstaltungsort internationaler Keramiksymposien seit 1975.
Erwähnenswert sind auch die Spielzeugsammlung und die Hönn’sche Sammlung. Letztere umfasst Werkzeuge zum ländlichen Handwerk und der Landwirtschaft in der Region, zusammengetragen von Dr. Walter Hönn.
Nach den Besichtigungen erwarteten uns im Kulturhaus 2 weitere überaus interessante Vorträge. Eberhard Pfister aus Meiningen referierte zum Ehrenbürger und Förderer von Römhild, dem Bierbrauer Christian Heurich, der es vom Auswanderer zum Millionär in den USA gebracht hatte.
Als zweiter Referent nahm uns Luciano Schmidt in die Welt der deutschen Auswanderer nach Brasilien mit. Für die Anwesenden war es faszinierend, von einem Nachkommen die Familiengeschichte einer Thüringer Familie geschildert zu bekommen, die von Entbehrungen und Chancen in der Region Rio Grande do Sul geprägt war.
Als letzter Programmpunkt des Wochenendes im Grabfeld stand die Besichtigung der Veste Heldburg am Sonntag an.
Der „Theaterherzog“ Georg II. von Sachsen-Meiningen verwirklichte mit der Veste Heldburg seine Vorstellungen eines Märchenschlosses, beeinflusst von der Burgenromantik des 19. Jahrhunderts.
Die „Fränkische Leuchte“ beherbergt heute das Deutsche Burgenmuseum. Anhand von Originalen wird Interessantes zur Funktion, Entwicklung und Nutzung von Burgen im deutschen Raum präsentiert.
Nicht nur Waffen und Rüstungen, sondern auch Werkzeuge, Möbel und Spiele für Kinder und Erwachsene wurden anschaulich erklärt.
Die Teilnehmer der Halbjahrestagung in Milz haben ein inspirierendes Wochenende verlebt. Durch die engagierten Gästeführerinnen und die Damen und Herren des Heimatvereins erfuhren wir viel Neues und vor allem viel Gastfreundschaft. Allen unser herzlicher Dank.