Wenn man sich einer Arbeit wie der Genealogie widmet, weiß man, daß ein Leben zu kurz ist, um alles zu erreichen, was man sich vornimmt. Und doch sind wir stets bestrebt, das meiste aus unserer Suche herauszuholen.
Eines jener langen Forscherleben ging am 09. Februar 2019 zu Ende. Kurz vor seinem 98. Geburtstag wurde unser Ehrenmitglied Dr. Heinz-Rudolf Keil zu unseren Ahnen abberufen. Diese, trotz seines Alters, für mich unerwartete Nachricht bietet mir noch einmal die Möglichkeit, auf sein Leben und speziell auf seine Forschungsarbeit zurückzublicken. Es freut mich im Nachhinein, daß ich die Gelegenheit bekam, mit ihm zum Jahreswechsel noch ein längeres Gespräch führen zu dürfen, das mir gerne in Erinnerung bleiben wird.
Dr. Heinz-Rudolf Keil wurde am 29. März 1921 zu Gräfenhainichen als eines von 4 Kindern des praktizierenden Arztes Dr. Otto Heinrich Rudolf Alfred Keil (geb. 1889 Berlin, gest. 1969 Walchensee) und Ilse Anna Elisabeth geb. Just geboren. Damit war ihm sein genealogischer Werdegang praktisch in die Wiege gelegt, denn bereits sein Vater betrieb seit 1910 ebenso wie sein Onkel Familienforschung. 1930 kam er auf das Nordseepädagogikum in Wyk auf Föhr, von wo er 1932 auf das Melanchthon-Gymnasium nach Wittenberg und 1935 auf das Gymnasium Waisenhaus Züllichau wechselte. 1939 legte er sein Abitur ab. Aufgrund des Kriegsbeginns wurde er eingezogen, konnte aber neben Kriegseinsätzen seine Medizinstudien in Königsberg/Pr., Mainz und Graz absolvieren.
Die Ausarbeitung zur Geschichte übergab er freundlicherweise an den Vorsitzenden der AGT. Mit Kriegsende kam er in amerikanische Gefangenschaft, aus welcher ihm die Flucht gelang.
Seinen beruflichen Werdegang nach dem Kriege startete er als Assistenzarzt in Wiesbaden und Rüsselsheim, ehe er Oberarzt in Hamburg wurde. In den 1950er und 1960er Jahren war er an der Entwicklung parenteraler Ernährung sowie Astronautenkost beteiligt. Von dieser Arbeit berichtete er mir besonders begeistert bei meinem Besuch. So war er u.a. mehrere Wochen mit einem Bananendampfer in der Karibik unterwegs, um die Haltbarkeit von Lebensmitteln bei verschiedenen Temperaturen zu testen.
Seine letzte Tätigkeit fand er am Kreiskrankenhaus Nagold im Schwarzwald, wo er die Chirurgische Abteilung bis 1983 leitete. Bis 2002 verbrachte er 5 Jahre in Spanien, ehe er nach Illingen in Württemberg zog. Seinen letzten Wohnort wählte er aufgrund seiner Liebe zu Mühlhausen i. Thür., jener altehrwürdigen Reichsstadt und er freute sich sehr, daß nicht nur er einen Platz in einem Altenheim bekam, sondern auch seine Ehefrau eine Wohnung in der Stadt beziehen konnte. Am 09. Februar 2019 entschlief er knapp 4 Monate nach seinem Umzug in jener Stadt, der er einen Großteil seiner Forschungstätigkeit widmete.
Genealogisch war Dr. Heinz-Rudolf Keil von Kindesbeinen vorgeprägt, was dazu führte, daß das febris genealogicæ auch auf ihn übergriff. Bereits sein Vater hatte mit seinem Onkel die „Ahnen der Geschwister Keil“ (1950) und die „Stammfolge Keil“ (1938) publiziert und jenen Vorarbeiten folgte auch Dr. Heinz-Rudolf Keil. Er überarbeitete die damaligen Samm-lungen und gab diese ab 1993 in 20 Bänden und verschiedenen Auflagen neu heraus. Darüberhinaus widmete er sich umfangreich der Erfassung Mühlhäuser Quellen, so u.a. den Katasterbüchern, den „Mühlhäuser Geschichtsblättern“ und der Karteikartensammlung im Kirchenarchiv der Stadt. Aber auch über die Stadtgrenzen hinaus war er genealogisch aktiv u.a. in Erfurt oder beim hessischen Adel. Für seine Lebensleistung wurde er von der AGT anläßlich seines 90. Geburtstags zum Ehrenmitgliede gewählt. Bis zuletzt war er, trotz starker Beeinträchtigung seines Sehvermögens, fleißig mit unserer Passion behaftet. So gab er mehrmals sein „Mühlhäuser Suchbuch“ auf CD heraus, in welchem er Namen-register zu allen genealogisch relevanten Publikatonen zusammentrug. Sein Versuch, es drucken zu lassen, scheitert am schieren Umfang, da es bereits vor einigen Jahren mehr als 3.500 Seiten umfaßte.
In digitaler Form überließ Dr. Keil seine genealogischen Daten der Nachwelt innerhalb des Gemeinschaftsprojektes www.webgenealogie.de mit knapp 27.000 Personen (Stand 2014).
Mit Dr. Heinz-Rudolf Keil verliert die Thüringer Genealogie einen seiner verdienstvollsten Forscher und wir ein stets hilfsbereites Mitglied. Möge er in den Reihen unserer Ahnen frohe Aufnahme gefunden haben.
Unser Beileid gilt seiner Witwe und den beiden Söhnen.
Genealogische Publikationen von Dr. Heinz-Rudolf Keil:
„Der Name Keil in Deutschland“, Eigenverlag, 1986
„Ahnen der Brüder Keil“, Eigenverlag, 1988
„Ahnen der Brüder Keil“ (10 Bände), Eigenverlag, 1993-1995
„Die Nachkommen des Martin Keul aus Herbsleben“, Eigenverlag, 1993, 1996, 2005
„Mühlhäuser Geschlechter im Mittelalter“, Eigenverlag, 2002
„Etliche Mühlhäuser Geschlechter im Mittelalter“ (3 Bände), AMF 2005
„Ahnen der Brüder Keil in alphabetischer Reihenfolge“, (5 Bände) Eigenverlag, 2006/07
„Namensregister zu den Mühlhäuser Geschichtsblättern“, AMF, 2008
„Findbuch Erfurter Urkunden“, AMF, 2009
„Etliche Erfurter Geschlechter im Mittelalter“, AMF, 2009
„Katasterregister der Stadt Mühlhausen der Jahre 1470 – 1786“ (2 Bände), AMF, 2011
„Adreßbuch Mühlhausen 1853-1919“, 2013, CD
„Suchbuch zusammengefaßter Unterlagen der Stadt Mühlhausen in Thüringen“, 2011, 2013, CD
Anm.: Ein Dank für die Zusammenstellung der Vita geht an Roswitha Henning vom Stadtarchiv Mühlhausen.