Beitrag von Sabine Wiedemann
Na, so interessant wird das Rahmenprogramm wohl nicht werden. Immerhin wurde Nordhausen im 2. Weltkrieg zu 80% zerstört.
Wer so dachte, als die Einladung zur Jahreshauptversammlung 2019 eintraf, war schon überrascht, als er auf dem Weg zum ersten Programmpunkt am Freitagabend durch die Straßen Nordhausens in Richtung Altendorf 51-52 schlenderte. Es ging vorbei an liebevoll restaurierten alten Villen in grünen Wohnvierteln und kleinen, vom Alter gebeugten Fachwerkhäusern in Altendorf.
Dass wir zu früh ankamen und die Gaststätte Alt Nordhausen noch geschlossen war, störte überhaupt nicht. So konnten wir die zum Teil schiefen Häuschen aus der Nähe bewundern und sogar eine Baustelle entdecken, wo man Teile von alten Fachwerkhäusern in neue Wohnanlagen einbaut. Genial.
Der private Investor bekommt Förderung vom Land Thüringen.
Damit sind wir beim Thema unseres 3-tägigen Aufenthalts in Nordhausen:
Die Vergangenheit mit in die Zukunft nehmen.
Am Samstag reisten diejenigen Teilnehmer an, die entweder keine Unterkunft mehr gefun-den hatten oder am Freitag noch arbeiten mussten. Die Jahreshauptversammlung begann deshalb um 10 Uhr und zwar im Hotel Brandenburg.
Ein Schwerpunkt der diesjährigen Jahreshauptversammlung war der vom 13.-15.09.19 in Gotha stattfindende Genealogentag. Da die Online-Anmeldung für die verschiedenen Pro-grammpunkte von dem bisher üblichen Procedere abwich und sich auch ansonsten für die meisten Forscher schwierig gestaltete, gab es hier den meisten Gesprächsbedarf.
Schließlich wurde das auch geklärt und die Anmeldungen der Teilnehmer können in den folgenden Tagen vorgenommen werden.
Der für 14 Uhr angekündigte Vortrag von Steffen Iffland vom IFN entfiel leider. So hatten wir jedoch mehr Zeit für den Besuch im Stadtmuseum „Flohburg“.
Woher kommt dieser Name für das sehr ansehnliche Museum? Da sind sich die Historiker nicht ganz einig. Es gibt da nicht nur eine Deutung für den Namen…
Das gotische Fachwerkhaus ist eines der ältesten sowie bauhistorisch wertvollsten Gebäude der Stadt. 1336 war das Grundstück in Besitz der angesehenen Adelsfamilie Bart und wurde als Absteigequartier genutzt. Aha-vielleicht kommt der Name daher und hat sich hartnäckig bis zur Gegenwart gehalten?
Bis zum 19. Jahrhundert wurde das Gebäude jedenfalls mehrfach umgebaut und mit diversen Anbauten versehen. Es beherbergte zu dieser Zeit u. a. eine Fleischerei, eine Bäckerei, eine Gastwirtschaft und eine Kupferschmiede. Bis 1989 befand sich in dem Bau das erste Nordhäuser Theater. 1963 wurde die Flohburg als Kinder- und Jugendbibliothek genutzt und es entstand ein östlicher Anbau. Ab dem Jahr 2002 wurde das Haus für kulturhistorische Sonderausstellungen genutzt.
Anfang 2011 begann eine umfangreiche Sanierung und Erweiterung der Flohburg. Das historische Gebäude wurde entkernt. DDR-Anbauten wurden entfernt und das Dach erneuert.
Das Museum konnten wir also ohne Angst vor unhygienischen Bedingungen betreten.
Mit Siegfried Koch und Detlef Bayer von der Interessengemeinschaft Familiengeschichtsforschung Nordhausen IFN hatten wir ortskundige Forscher an unserer Seite. Sie führten uns durch das Museum und beantworteten unsere zahlreichen Fragen zu den Exponaten aus mehr als 1000 Jahren Geschichte der neben Mühlhausen zweiten ehemaligen Freien Reichsstadt auf dem Gebiet des heutigen Thüringen. So wies man uns u.a. auf die seit 2014 in der Flohburg befindliche Himmelgarten-Bibliothek hin. Himmelgarten war im Mittelalter ein Servitenkloster in einem Weiler des Dorfes Leimbach (heute ein Ortsteil Nordhausens). Dicke Folianten, handbeschrieben, stehen Nutzern in 2 Glasvitrinen zur Verfügung.
Interessenten können diese vor Ort lesen, vorausgesetzt, sie sind des Lateinischen mächtig.
Nach dem Besuch des Stadtmuseums kehrten alle in das Restaurant Brandenburg zurück, um sich nach dem Exkurs in die Geschichte zu stärken und sich anschließend über genealo-gische Themen auszutauschen.
Am Sonntagmorgen trafen wir uns vor dem Roland und bestaunten die Figur, die sich nach Eintreffen der Stadtführerin als Kopie entpuppte. Natürlich sahen wir uns das Original im Foyer des neuen Rathauses auf der anderen Seite des Platzes auch gleich an, wenn auch nur durch die Glastür, hinter der er sicher verwahrt ist. Sonntags geschlossen.
Die Stadtbesichtigung erstreckte sich über 2 Stunden, denn die erfahrene Stadtführerin führte uns zu Plätzen, über Treppen und Stiegen, die wir alleine kaum oder nur zufällig entdeckt hätten. Das alte kaiserliche Postamt, in welchem mittlerweile extravagante Wohnungen entstanden sind, begeisterte alle, die mit gesichtslosen Neubauten nichts anfangen können. Wir bestiegen den Turm einer ehemaligen Kirche auf dem Petersberg, dessen Kirchenschiff seit bei der Bombardierung im 2. Weltkrieg einen Volltreffer erhielt und in dem alle darin Schutz Suchenden ums Leben kamen.
Eine tolle Aussicht auf Nordhausen und Umgebung bis zum Kyffhäuser belohnte diejenigen, die den Aufstieg trotz der Hitze wagten. Zum Schluss stiegen wir noch als Ausgleich in die kühlen Kasematten vor dem Theater. So hatten wir in nur 2 Stunden Nordhausen in 3 Ebenen erlebt.
Fazit: Überraschende Ein- und Ausblicke in eine uralten Stadt mit reicher und wechselvoller Geschichte. Dabei führte die Exkursion noch nicht einmal durch die Altstadt von Nordhausen.