Im Rahmen einer Recherche zu gewanderten Handwerksgesellen kommen verschiedene Hilfsquellen in Betracht:
Innungsurkunden
Geburtsbriefe, Lehrbriefe und sog. Kundschaften (Kundschaftszeugnisse), zusammengefaßt unter dem Begriff Innungsurkunden (bzw. Innungsakten) = Quellengattung
Geburtsbriefe waren Abstammungsnachweise; nachgewiesen werden mussten die eheliche Abstammung, die ehrliche Herkunft (der Vater durfte keinem der als unehrlich geltenden Gewerbe angehört haben, insbesondere nicht Abdecker, Scharfrichter, Gerichtsdiener, Amtsbüttel usw.) Darüber hinaus war die “echte, rechte und deutsche” !!! Abstammung regelmäßig nachzuweisen.
Nachzuweisen sind diese jedoch nicht in jedem Fall in den Archiven der jeweiligen Heimatstädte sondern immer auch im Zielgebiet bzw. Ansiedlungsort. Wenn der Betreffende also z.B. in Mühlhausen sein Handwerk lernte, hatte er vor Aufnahme in die dortige Innung (des jeweiligen Gewerbes) seinen Geburtsbrief ebda. vorzulegen. Wenn er nach der Lehrzeit in Erfurt in die Innung eintrat ebenso (gleich ob als Geselle oder Meister). Eine papierlose Zeit waren diese Jahrhunderte vor uns also beileibe nicht! Bei der Recherche sind primär stets die Überlieferungen der jeweiligen Handwerksinnung zu beachten!
- Der Lehrbrief wurde nach Beendigung der Lehrzeit, nach der Lossagung (auch Freisprechung) ausgestellt.
- Die Kundschaft war eine Art Arbeitsbuch (heute bereits wieder unbekannt), also die Zusammenfassung der Arbeitgeber und ihrer Einschätzung (ein Nachweis der Gesellenwanderungszeit).
Diese Quellen sind vielfach überliefert, z.T. sind diese Bestände auch erschlossen oder sogar (wie z.B. in Dresden, Überlieferungszeitraum dort 1542- 1934) verkartet. Um ergänzende Informationen über einen Vorfahren zu erlangen empfiehlt sich demzufolge die Prüfung der entspr. Bestände in den jeweiligen Stadtarchiven.
Heimatscheine
Eine ähnlich zu berücksichtigende Quelle stellen die sog. Heimatscheine dar. Diese Heimatscheine waren eine Art Paß oder Personenbescheinigung (heute der Identitätsbescheinigung vergleichbar). Die Ausstellung derselben geschah stets im Geburtsort des Betreffenden, nicht etwa im letzten Wohnort. Das sogenannte Heimatrecht war ein individuelles Rechtsgut und dieses jedoch an die Gemeinde (Gemeinde i. S. von Gesamteinwohnerschaft eines Ortes) des Geburtsortes einer Person gebunden. Dieses Heimatrecht war unveräußerlich, nicht verwirkbar (außer bei Rechtsbrüchen und begangenen Verbrechen) und nicht übertragbar. Im Falle persönlicher Not konnte jeder zu jeder Zeit in diese seine Heimatgemeinde zurückkehren und hatte dort Anspruch auf minimalste Unterstützung (Unterbringung, Beköstigung). Hierfür verantwortlich war die Nachbarschaft (oder auch mehrere Nachbarschaften in größeren Orten). Aus diesem Grund hatten örtliche Gemeinden wenig Interesse, z.B. Hochschwangere oder durchziehende einzelstehende Frauen aufzunehmen, da das fast stets soziale Verpflichtungen und damit Belastungen auch in späterer Zeit nach sich zog.
Heimatscheine sind z.T. überliefert, in den Überlieferungsbeständen der Archve jedoch oft nur schwer nachzuweisen. Darin besteht die Herausforderung für den interessierten Genealogen. Im Bergarchiv Freiberg ist ein Aktenbestand von Geburtsbriefen und Heimatscheinen aus jüngererer Zeit im Bestand “Militärdienstbefreiungen” nachweisbar. => Militärdienstbefreiungen (mit Sammlung von Geburts- und Heimatscheinen).
Hier z. B. ein Bestand Geburts- und Lehrbriefe (ausgestellt in Arnstadt) oder Heimatscheine, ausgestellt in Erfurt. Nachweise ehelicher Abstammung, Lehrzeitbescheinigungen, Gesellenbriefe, Lehrbrefe, Wanderbriefe u.ä. finden sich auch hier.
Thomas Engelhardt, Ilsede