Als Nachruf sei auf den Text zum 85. Geburtstag Martin Bauers von unserem Ehrenmitglied und damaligen Vorsitzenden Peter-Jürgen Klippstein aus dem Mitteilungsblatt 92 für 2/2011 mit freundlicher Genehmigung zurückgegriffen.
Begegnung mit Martin Bauer
Ehrenmitglied der AGT,
profunder Genealoge, Pfarrer und Superintendent i.R.,
begeht am 05.06.2011 sein 85jähriges Geburtstagsjubiläum
Genealogie ist eine “stabile Pflanze”. Man wächst irgendwann hinein und sobald sie zarte Wurzeln im unendlichen Boden des “genealogischen Substrats” geschlagen hat kommt man von der “Pflanze ” nicht wieder los.
Gern erinnere ich mich an die ersten Kontakte zu unserem Jubilar. In der Zeit vor der Wende im geteilten Deutschland, als die Gründung der Arbeitsgemeinschaft Genealogie in Thüringen in Weimar im Rahmen des Kulturbundes der DDR erfolgt war, übergab mir Ende der 80er Jahre das damalige Mitglied der neugegründeten Arbeitsgemeinschaft, Wolfgang Müller-Strauch aus Weimar, eine Forschungsanfrage eines mir unbekannten Herrn, Superintendent i.R. Martin Bauer aus MESSEL in Hessen, der sich um Fragen der Geschichte Erfurter Familien “kümmerte” und an deren Besitzungen an Hand der Rollert Häuserchronik recherchierte.
Herr Müller-Strauch konnte aus Altersgründen diese umfangreichen Forschungen nicht mehr ausführen.
Durch genealogische Recherchen, die “grenzüberschreitend” seinerzeit nur über briefliche Verbindungen miteinander stattfanden, hatte man schon einen umfangreichen Schriftverkehr besonders auch über die “Staatsgrenzen” der DDR hinaus und war sich bewußt, dass diese Kontakte den Behörden (sprich Staasi) nicht unbekannt blieben [später bewahrheitete sich diese Ahnung durch Einsicht in die eigenen Straasiunterlagen]. Diese Gewißheit hielt den Schreiber dieser Zeilen vom normalen Briefverkehr nicht ab, eigentlich beflügelte diese Tatsache seine Aktivitäten.
Schnell kam man mit Herrn Bauer “im Westen” ins Benehmen und recherchierte für ihn, obwohl mit Erfurt genealogisch keine Kontaktpunkte vorhanden waren, bis auf das die eigenen Kinder in Erfurt geboren wurden, mit den Recherchen für Herrn Bauer lernte man somit zumindest die genealogischen Quellen von Erfurt kennen.
Nach und nach wurde mir bei den Forschungen klar welche Kapazität mit mir da korrespondierte.
Und irgendwann bekam ich auch ein Buch in die Hände, in der DDR verlegt, dessen Autor Martin Bauer war [das viele Jahre später wunschgemäß vom Autor autographiert wurde].
Das Buch hatte mit Genealogie nichts zu tun, es war ein Werk zur Theologie, “Anfänge der Christenheit, Von Jesus von Nazareth zur frühchristlichen Kirche“, Evangelische Verlagsanstalt Berlin, 1978.
Die Buchglatte gab Angaben zur Person bekannt, die mir etwas zu meinem Briefpartner auf der anderen Seite “der Staatsgrenze” bekannt gaben:
“Martin Bauer, geboren 1926 als Sohn eines Pfarrers in Gotha (Thüringen), besuchte das humanistische Gymnasium in Gotha, dann in Coburg und in Hof. Nach dem Kriege Studium der Theologie in Münster, Göttingen und Jena. 1950 Hilfsprediger in Holtzhaleben (Kreis Sondershausen), 1954 Pfarrer in Erfurt-Bischleben, 1960Pfarrer an der Reglerkirche in Erfurt und Dozent für Kirchengeschichte an der dortigen Predigerschule, 1969 Superintendent in Zeitz, lebt heute in Erfurt.”, das bezog sich auf das Jahr 1978.
Als mit Herrn Bauer der Kontakt entstand schrieb man das Jahr 1987, also fast 10 Jahre nach dem Erscheinen des oben genannten Buches. Zwischenzeitlich lebte der Wissenschaftler M. Bauer (Theologe und Genealoge), vorwiegend im “Osten” sozialisiert, im “Westen” des geteilten Vaterlandes, aus gesundheitlichen Gründen pensioniert, und was für ihn von Nachteil war, abgeschnitten von den Haupt-Quellen seiner genealogischen Forschungsgebiete.
Bevor Martin Bauer in den “Westen” ging, hatte er neben seiner theologischen Arbeit u.a. die Erfurter Kirchenbücher in der Bibliothek des Augustinerklosters betreut und ein Erfurter Pfarrerbuch zusammengestellt. Als er in die Bundesrepublik Deutschland übergesiedelt war unterstützte Herr Müller-Strauch ihn, soweit es dessen Alter und Gesundheitszustand zuließ, bei besonderen Recherchen im Erfurter Raum.
Sein Erfurter Pfarrerbuch war schon seit 1984 fertig, er fand aber keine Möglichkeit zur Herausgabe, der Gründe gab es viele; nun arbeitete er den Erfurter Ratsherren, die vor der Fertigstellung standen [1988].
1989 lagen dann die “Erfurter Ratsherren und ihre Familien im 17. Jahrhundert” von Martin Bauer vor, als Band 19 in der Schriftenreihe der Stiftung Stoye. Deutschland war nach wie vor geteilt. Es war nicht leicht Literatur aus dem “Westen” zu erhalten. Aber es kündigten sich hoffnungsvolle Ereignisse an, die die Herzen vieler Deutschen schneller schlugen ließen.
Auf Umwegen konnte ich mir die “Ratsherren” zulegen. Es war wohl seit langer Zeit das erste Buch genealogischen Inhalts zu Erfurt und ich schätze mich glücklich der erste gewesen zu sein, der auf “Thüringer Boden” zu Bauers Ratsherren eine Rezension geschrieben hat. Erstmals in der Veröffentlichung “Genealogie in der DDR” Heft 2 und zum anderen in der Regionalzeitung “Thüringer Tageblatt” vom 27.03.1990. Das war dann schon in den überschwenglichen Tage-Wochen-Monaten der „Wende“, richtig ist von der friedlichen Revolution zu sprechen.
Die Zeitung mit der Rezension zu Bauers Ratsherren in mehrfacher Zahl konnten wir zur Jahreshauptversammlung der “Mitteldeutschen Familiengeschichtlichen Vereinigung” in Marburg, am 31.03.-01.04.1990, mitnehmen und den “Mitteldeutschen” präsentieren, aber vor allem Herrn Bauer, dessen persönliche Bekanntschaft ich in Marburg machen durfte.
Dankbar sprach Herr Bauer darüber, dass mein Brief und die Rezensionen das erste Echo aus Erfurt zu seiner Publikation waren. Ich war (bin) dankbar, dass es mir vergönnt war und ist, mit Herrn Sup. i.R. Martin Bauer bekannt zu werden, ihn näher kennen zu lernen und mit ihm auch gemeinsam gearbeitet zu haben.
Durch Herrn Bauer kam auch noch der Kontakt zu Dr. Lorenz Drehmann zustande, dem Herausgeber der “Erfurter Heimathefte”, dem Sprachrohr der “Exil Erfurter” im Westen. So konnten in den letzten Heften vor dem Ende des Erscheinens dieser Schriftenreihe und der Auflösung der “Heimattreuen Erfurter” einige Beiträge von uns (AGT) in den “Erfurter Heimatheften” erscheinen. Herr Dr. Drehmann war vor dem Krieg auch Mitglied des “Erfurter Genealogischen Abends“.
Martin Bauer hatte in der Schriftenreihe der “Heimattreuen Erfurter” wie auch in der “Mitteldeutschen Familienforschung” mit einigen Aufsätzen zur Erfurter Genealogie schon von sich Reden gemacht.
Das zweite große Werk zu Erfurt war 1992 wieder bei der Stiftung Stoye, der Band 22, “Evangelische Theologen in und um Erfurt in 16. bis 18. Jahrhundert“.
Spätestens das war Anlaß der AGT, auf Vorschlag des Vorstandes, den profundesten Kenner der Erfurter Genealogie, Martin Bauer, die Ehrenmitgliedschaft der AGT anzutragen.
Alle Werke und Schriften Bauers, seit etwa 1985, sollen hier nicht extra aufgezählt werden, sicher erfolgt das in einer der Ehrungen die zu seinem Jubiläum stattfinden. Ein Verdienst für die Herausgabe von Martin Bauers Forschungsergebnissen kommt in höchstem Maße der “Stiftung Stoye” zu.
Eine besondere Auszeichnung wurde unserem Sup. i. R. Martin Bauer 2005 auf dem Genealogentag in Hannover zuteil. Dort wurde ihm vom heutigen Ehrenvorsitzenden und damaligen Vorsitzenden der DAGV, Dr. sc. Hermann Metzke, die Gatterer- Medaille in Silber überreicht (s. a. Bericht im MB Nr.67/68 Seite 3).
Martin Bauer hat nach wie vor seinen Wohnsitz in Messel/ Hessen, ist aber mehrmals im Jahr an seiner liebsten Forschungsstelle dem Erfurter Augustiner Kloster tätig und fast jährlich kommen weitere Ergebnisse seiner Forschungsarbeit als Publikation “auf den Tisch”. Neben der Genealogie findet immer die Heimatgeschichte einen Platz in seinen Veröffentlichungen. Die Erfurter Geschichte und Genealogie ist ihm ans Herz gewachsen, so machte Martin Bauer in einem kleinen Artikel auch auf den umfangreichen “Erfurtensienbestand” der Mainzer Stadtbibliothek aufmerksam, der wiederum seinen Ursprung in der Tätigkeit von Dr. Lorenz Drehmann hat, mit dem unser Jubilar, vor der Wende bis zu Drehmanns Tod Beziehungen pflegte.
Möge unser Herrgott seine Gesundheit hüten und Martin Bauer noch viele glückliche Jahre in seinem Forschungsgebiet schenken, aber auch im Kreis der Familie mit seinen Angehörigen viele schöne Tage erleben lassen.
Peter-Jürgen Klippstein, Erfurt im Mai 2011.